Freitag, 7. Januar 2011

Was ist katholisch?

"Katholisch ist, wer den Worten des Papstes gehorcht. Katholisch ist, wer das, was Gott verbunden hat, nicht trennt. Katholisch ist, wer die Kinder annimmt, wann und wie Gott sie schenkt.
Das mag nicht jedem behagen, aber daran kann keiner vorbei. Katholisch ist auch die Großmutter, die jeden Morgen das Krönchen von ihrer transparenten Lourdes-Madonna abschraubt, daraus etas Weihwasser ins Glas gießt und den Inhalt trinkt. Katholisch ist die Enkelin, die Oma in eine Diskussion über feministische Mariologie verwickelt. Katholisch ist die pragmatische Hausfrau, die auf dem Pfarrfest stundenlang Pommes frites ins heiße Fett taucht und katholisch ist die akademisch gestählte Vorsitzende des Eine-Welt-Kreises, die eine Diskussionsrunde über gesättigte Fettsäuren angesichts des Hungers in der Welt leitet.
Katholisch ist das Paar, das zur kirchlichen Hochzeit "Memories" wünscht. Katholisch ist der Pfarrer, der sich Musicalmelodien verbittet und katholisch ist der Pfarrer der Nachbargemeinde, der den Wunsch der Brautleute erfüllt, wenn sie auch "Fest soll mein Taufbund immer stehen" ins Programm nehmen. Katholisch ist der Kabarettist, der Witze über Priesterkinder erzählt und im Interview den Zölibat verteidigt. Katholisch ist der Pastoralreferent, der statt der Lesung ein irisches Märchen vorträgt und katholisch ist der Feuilletonist, der darüber spottet.
Apropos Feuilletonkatholizismus: Die Schriftstellerin Uta Hahn erzählt in ihrem Erfolgsroman "Das verborgene Wort" von einer Kindheit in den frommen Fünfzigern. Ihre Protagonistin Hilla Palm wächst in einem Provinznest bei Köln auf. Sie leidet unter der miefigen Moral der Kirche im Dorf, aber es ist der Geistliche, der ihre Eltern davon überzeugt, das Mädchen auf eine höhere Schule zu schicken. Hilla liebt die alte Messe und lebt ein neues Frauenbild. Die Moral von Hahns Geschicht': Zwischen Jungfrauengeburt und Jüngstem Gericht ist nichts so gradlinig, wie es scheint, nicht einmal, wenn alle Wege nach Rom führen. Es gebe so viele Wege zum Glauen wie Menschen, sagt Papst Benedikt XVI. im Interview mit Peter Seewald.
Katholisch ist, wer die Spannbreite zwischen Glaubenshunger und Wissensdurst, Geheimnis und Gut-dass-wir-darüber-geredet-haben, zwischen Weltzugewandten und heiligem Rest aushält. Die Vögel, denen Franz von Assisi predigte, kämen mit Schlagseite kaum dem Allerhöchsten nahe. Auch Engel sind schwach auf der Brust, wenn ihnen ein Flügel abhanden kommt.
..."


(Christiane Florin in "Christ und Welt" vom 30.12.2010)

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